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 Hexenverfolgung

Hexenverfolgungen im Murgtal, Teil 1
 
In der Markgrafschaft Baden-Baden kam es zwischen 1625 und 1631 unter Markgraf Wilhelm  zu einer massiven Hexenverfolgung mit nachweislich etwa 270 Hinrichtungen. In der Grafschaft Eberstein dagegen sind bislang nur fünf Fälle von Hexerei zwischen 1642 und 1644 bekannt. Die im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrten badischen Hofratsprotokolle enthalten Notizen darüber, besonders über den Fall der Catharina Weinmann.

Die handschriftlich verfassten Protokolle verzeichnen, jeweils mit Datumsangabe, Ereignisse, mit denen der badische Hofrat befasst war. Dieses Gremium aus hohen Beamten kümmerte sich in der Markgrafschaft in erster Linie um Justizangelegenheiten. Unter dem Datum des 20. Juli 1642 lesen wir im Hofratsprotokoll, dass an den badischen Vogt zu Gernsbach der Befehl erging, er solle eine gewisse Catharina Weinmann „auf mitbelieben gräfl. Ebersteinischen theilß nach gehaltenem malefiz (Strafprozess) und vermög Carolinischer halsgerichts Ordnung außgesprochenem Urtheil lassen enthaubten und den Cörper verbrennen“. Eine gewisse Eva Kast sollte er „auf mitbelieben Gronßfeldischen theilß in dem spittal lassen enthaubten und den cörper öffentlich verbrennen“.

Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges war den Ebersteinern ihr Besitz im Murgtal außer Gernsbach, Scheuern und Staufenberg weggenommen und an die Grafen von Gronsfeld und Freiherrn von Wolkenstein gegeben worden. Markgraf Wilhelm von Baden-Baden regierte daher Gernsbach, Scheuern und Staufenberg gemeinsam mit dem Ebersteiner, die Dörfer im Murgtal dagegen gemeinsam mit Gronsfeld und Wolkenstein. Für Todesurteile brauchte der badische Markgraf die Zustimmung der jeweiligen Mitregenten. Da im Fall von Eva Kast die Zustimmung von Gronsfeld nötig war, stammte sie sicher aus einem der Dörfer im Murgtal. Das 1511 erbaute Spital, wo sie enthauptet werden sollte, befand sich auf der rechten Murgseite oberhalb der Gernsbacher Stadtbrücke. Für den Vollzug der Hinrichtungen  war der Henker von Baden-Baden zuständig, der für seine Dienste jährlich von der Stadt Gernsbach seinen Lohn als „Nachrichter“ erhielt.

Catharina war „vermög Carolinischer halsgerichts Ordnung“ verurteilt worden. Die „Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.“ (Constitutio Criminalis Carolina, abgekürzt CCC) von 1532 war ein für seine Zeit äußerst fortschrittliches Gesetzeswerk, das im deutschen Reich sehr lange Geltung hatte. Es beschränkte die Folter, sah aber Zauberei ganz im Verständnis der Zeitgenossen als Verbrechenstatbestand vor. Auf die Verletzung oder Tötung von Mensch und Vieh durch Zauberei und magische Praktiken (Schadenszauber) stand die Todesstrafe durch Feuer. Der Pakt mit dem Teufel war als Straftatbestand dagegen nicht vorgesehen. Teufelspakt und Teilnahme am Hexensabbat sind erst in der badischen Landesgesetzgebung von 1588 zu finden. Die Vorstellung von Hexen, die auf Besen oder Tieren zu den Treffen der Hexensekte flogen, bildete sich erst im Lauf des 15. und 16. Jahrhundert heraus. Dabei floss der seit dem Altertum vorhandene Glaube an Zauberei und Magie mit dem Bild der seit dem 13. Jahrhundert verstärkt auftretenden und in geheimen Sekten organisierten Ketzer zu einem erweiterten und neuartigen Hexenbegriff zusammen.

Im Fall der Catharina Weinmann wird ausdrücklich erwähnt, dass sie in einem Strafprozess nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung verurteilt worden war. Ein Urteil war aber nur aufgrund eines Geständnisses möglich, das vor Zeugen ohne Zwang bestätigt werden musste. In einer Zeit ohne Fingerabdrücke und DNA-Spuren als Beweise war das Geständnis wichtigste Voraussetzung für die Verurteilung.
 

Wilhelm I. von Baden-Baden

Foto: Archiv Zorn
Wilhelm I., Markgraf von Baden-Baden. Während seiner Regierungszeit fand zwischen 1625 und 1631 die massivste Verfolgung von Hexen in Baden statt, der mehrere Hundert Menschen zum Opfer fielen.

Hexenverfolgungen im Murgtal, Teil 2
 
In der Markgrafschaft Baden-Baden kam es zwischen 1625 und 1631 unter Markgraf Wilhelm zu einer außergewöhnlichen Welle der Hexenverfolgung, während in Gernsbach und im Murgtal erst zwischen 1642 und 1644 fünf angebliche Hexen aktenkundig sind.
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Wie das Geständnis im Hexenprozess der Catharina Weinmann 1642 zustande kam, kann man nur vermuten. Im Gebiet der Markgrafschaft Baden-Baden wurden die meisten Geständnisse bezüglich „Hexerei“ durch die Folter erpresst. Nach einer zumeist ziemlich kurzen „gütlichen Befragung“ gingen die von Hofräten geleiteten Sondergerichte zügig zur Folterung über. Die üblichste Methode war das „Aufziehen“. Dabei wurden die Angeklagten an den hinter dem Rücken gefesselten Händen - oft auch noch mit Gewichten an den Füßen beschwert - mehrfach hintereinander nach oben gezogen, was zur Ausrenkung der belasteten Gelenke führte. Daneben standen Daumen- und Wadenschrauben zum Quetschen der Gliedmaßen sowie Kopfringe zum Quetschen des Schädels zur Verfügung. Besonders perfide war der „Wachstuhl“, ein spitzenbewehrter Folterstuhl, bei dem die kleinste Bewegung Schmerzen verursachte und auf dem die Delinquenten angeschnallt teilweise tagelang sitzen mussten. Nur wenige, wie beispielsweise Anna Weinhag aus Baden-Baden, hielten die unvorstellbaren Qualen aus, ohne ein Geständnis abzulegen, und mussten schließlich doch entlassen werden. Mehrfach spielte bei solchen Entlassungen auch die Eilentscheidung des Reichskammergerichts eine entscheidende Rolle. Dieses höchste Gericht im Reich war die einzige Instanz, von der in solchen Fällen Rechtshilfe zu erwarten war, vorausgesetzt, der Gerichtsbeschluss kam vor der Hinrichtung und der Landesherr hielt sich daran, was in Baden-Baden nicht immer der Fall war. In der Regel ließen die Hexenrichter von Markgraf Wilhelm so lange foltern, bis das gewünschte Geständnis vorlag. Die gewohnheitsrechtliche Praxis, jemanden freizulassen, wenn er drei sich steigernde Foltergrade überstanden hatte, ohne zu gestehen, wurde nicht beachtet – im Gegensatz zur Grafschaft Eberstein.

Am 16. Juli 1642 erging laut badischem Hofratsprotokoll der Befehl an den Gernsbacher Vogt, eine gewisse Bier Appel (Apollonia Bier) nach Hause zu entlassen, weil „sie 3 gradus torturae ... ohne bekenntnis überstanden“ habe – allerdings mit der sozial vernichtenden Auflage, „sich hinfüran aller ehrlichen gesellschaften außgenommen die Kirchen“ zu enthalten. Von Freispruch oder Rehabilitierung konnte also keine Rede sein! Über das weitere Schicksal der Apollonia Bier ist nichts bekannt.
Möglicherweise wurde auch Catharina Weinmann gefoltert, oder der Henker zeigte ihr zumindest die Folterinstrumente und drohte deren Anwendung an. Dass sie eines der damals schlimmsten Verbrechen, das unweigerlich die Todesstrafe nach sich zog, ohne jeden Zwang gestand, ist unwahrscheinlich. Bei Eva Kast wissen wir nichts über den Prozess, aber wahrscheinlich lagen die Verhältnisse ähnlich. Im Juli 1642 ergingen die Befehle zur Hinrichtung von Catharina Weinmann und Eva Kast an den badischen Vogt in Gernsbach. Normalerweise wurden solche Befehle zügig vollstreckt. Einige Monate später, am 28. November 1642, lebten Eva Kast und die erst 14jährige Catharina Weinmann aber immer noch. Die Exekutionen hatten nicht stattgefunden. Das konnte nur daran liegen, dass die Zustimmungen der jeweiligen Mitregenten (Eberstein als Mitregent von Gernsbach im Fall der Catharina Weinmann, Gronsfeld als Mitregent für die Murgtaldörfer im Fall der Eva Kast) nicht vorlagen. Das bedeutete aber nicht, dass die Delinquentinnen nun freigelassen worden wären!
 

Foltermethoden klein

Foto: Archiv Zorn
Folterwerkzeuge zum Überdehnen des menschlichen Körpers (1845). In den Verhörprotokollen aus der Markgrafschaft Baden-Baden stellt das „Aufziehen“ eine der häufigsten Foltermethoden dar.

Hexenverfolgungen im Murgtal, Teil 3

In der Markgrafschaft Baden-Baden kam es zwischen 1625 bis 1631 unter Markgraf Wilhelm zu einer außergewöhnlichen Welle der Hexenverfolgung. In Gernsbach und im Murgtal sind dagegen bislang nur fünf Fälle angeblicher Hexen bekannt. Die wenigen Einzelheiten, die wir darüber wissen, sind in den badischen Hofratsprotokollen der Jahre 1642 bis 1644 erwähnt. .

Im Juli 1642 konnten die wegen Schadenszauber verurteilte Catharina Weinmann und Eva Kast nicht hingerichtet werden, weil die Zustimmungen der jeweiligen Mitregenten fehlten (im Fall Weinmann der Graf von Eberstein, im Fall Kast der Graf von Gronsfeld). Am 28. November 1642 erging ein neuer Befehl an den badischen Vogt in Gernsbach, er solle den lutherischen und den katholischen Pfarrer zu der in Haft befindlichen Catharina schicken, um sie wegen ihrer Hexerei und Verbindung „mit dem bösen gaist“, also dem Teufel, zu befragen. Die Ergebnisse dieser Befragung sollten unverzüglich an die badische Kanzlei gemeldet werden. Die Erwähnung des „bösen gaist“ weist schon darauf hin, dass die Beschuldigungen nun bereits über den vorherigen Prozess hinausgingen, da das im Prozess angewandte Gesetz den Tatbestand des Teufelspaktes gar nicht enthielt.

Weiterhin sollten Catharina und zugleich Eva Kast, die sich also auch in Haft befand, ermahnt werden „in puncto der Mensch und Vich Todt und beschedigungen“, worüber beide die Unwahrheit gesagt hätten, die Wahrheit anzugeben. Falls die beiden Frauen nichts gestehen wollten, sollte man sie mit „ruten scharpf lassen straichen“. Danach sollte die Befragung wiederholt werden. „Fals abermals die Unwarheit erscheint“, so fährt das Protokoll fort, sollten die „Ruthenstraiche“ wiederholt werden. Catharina Weinmann hatte allerdings in ihrem Prozess bereits gestanden, Schadenszauber ausgeübt zu haben. Offenbar wollte man von badischer Seite her versuchen, neue Beschuldigungen zu erheben. Das war aber nur möglich, wenn tatsächlich Beschuldigungen vorlagen, und die konnten nur von zwei Seiten kommen. Entweder die Behörde wurde aktiv aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung oder aufgrund von sogenannten „Besagungen“, das heißt Bezichtigungen, die andere Angeklagte im Verhör gegen Nachbarn und Mitbürger vorgebracht hatten. Da solche „Besagungen“ meist unter der Folter zustande kamen, ließen sich Hexenprozesse auf diese Art beliebig vermehren.

„Besagungen“ gegen Catharina Weinmann und Eva Kast sind unwahrscheinlich, da in der näheren Nachbarschaft, der Markgrafschaft Baden-Baden, die Hexenprozesse 1631 aufgehört hatten. Dagegen nannte Catharina Weinmann selbst beim Verhör einen Namen. Daher wurde dem badischen Vogt am 28. November 1642 befohlen, „die Rheinschmiedin zu Gernsbach“ zu inhaftieren, ihr die von Catharina erhobenen Beschuldigungen vorzuhalten, sie zu verhören und das Ergebnis der badischen Kanzlei zu berichten. Aus dem Ablauf geht hervor, dass der badische Vogt in enger Abstimmung mit dem badischen Markgrafen hier als Ankläger und Richter fungierte. Eine Frau mit Familiennamen Rheinschmied aus Gernsbach war also 1642 die einzige der fünf Murgtäler Hexen, die durch „Besagung“ in die Fänge der Hexenjustiz geriet.

Woher die Beschuldigungen gegen Catharina Weinmann, Eva Kast und Apollonia Bier 1642 kamen, lässt sich vielleicht anhand eines fünften, relativ mysteriösen Falls vermuten.
 

Fliegende Hexen

Foto: Archiv Zorn
Fliegende Hexen (1890). Teufelspakt und Hexenflug bildeten sich im 15. und 16. Jahrhundert als typische Merkmale einer Hexe heraus.
 

Hexenverfolgungen im Murgtal, Teil 4
 
In der Markgrafschaft Baden-Baden kam es zwischen 1625 und 1631 unter Markgraf Wilhelm zu einer außergewöhnlichen Welle der Hexenverfolgung, während in der Grafschaft Eberstein erst zwischen 1642 und 1644 fünf „Hexen“ aktenkundig sind.
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Am 20. Februar 1643 berichtete der badische Vogt zu Gernsbach, Georg Ulrich Pleikhner (hier erfahren wir auch einmal seinen Namen), einen schockierenden Tatbestand: Das „Mäigdlin, welches nun umbs Jar Hexerey halber zu Obernhroht verhaftet gewesen“, sei „urplötzlich dahin gestorben“. Pleikhner erhielt den Befehl, er solle sie „in der Stille“ bei den „ungetauften Kindlein begraben lassen“. Das Mädchen habe, so der Bericht, laut Akten die Hexerei „extra iudicialiter“, das heißt außerhalb eines Gerichtsverfahrens, gestanden. Als geständige Hexe konnte sie nicht in geweihter Erde bestattet werden. Der Vogt sollte sie in aller Stille bei den ungetauften Kindern (also außerhalb des Friedhofs) begraben lassen und nachforschen, warum sie so plötzlich verstorben sei.

Dieser früheste der fünf Fälle von Hexerei im Murgtal lässt aufhorchen. Wie war der Vogt dazu gekommen, das Mädchen zu verhaften, bei dem es sich vermutlich noch um ein Kind handelte? Warum sollte der plötzliche Tod des Mädchens geheim gehalten werden? Wäre die Bevölkerung über die harte Haltung der badischen Regierung empört gewesen? Diese Annahme entspräche dem modernen Denken der Aufklärung. Hexerei wurde aber damals als ein gegen Gott gerichtetes Verbrechen angesehen, das eine Begnadigung ausschloss. Bei Kindern war es möglich, sie zu verschonen und in die Obhut Geistlicher zu geben. Ob das hier in Erwägung gezogen wurde, wissen wir nicht. Der jüngste, unter Markgraf Wilhelm hingerichtete „Hexer“ war zehn Jahre alt! Die Bevölkerung damals hätte das unerklärliche Ende einer Hexe wohl eher dem Teufel zugeschrieben. Auch die Bestattung bei den ungetauften Kindern war geeignet, Unruhe hervorzurufen. Eltern ungetauft verstorbener Kinder hatten in der damaligen Zeit panische Angst, die in ungeweihter Erde liegenden Säuglinge könnten jederzeit eine leichte Beute für Dämonen und Hexen werden. Auch ist zu vermuten, dass das Geständnis der Minderjährigen vom Gerede in ihrem Umfeld beeinflusst wurde. Der Fall spricht also eher dafür, dass Gerüchte und Tratsch in der Bevölkerung der badischen Justiz einen Anlass zum Handeln gaben.

Alle fünf für das Murgtal bekannten Fälle von Hexerei treten im Jahr 1642 auf: Das unbekannte Mädchen von Obertsrot, Catharina Weinmann, Eva Kast, Apollonia Bier und „die Rheinschmiedin zu Gernsbach“. Nur Letztere wurde aufgrund von Beschuldigungen festgenommen, die Catharina Weinmann im Laufe ihres eigenen Verhörs erhoben hatte. Bei den vier anderen ist eher davon auszugehen, dass sie aufgrund von Bezichtigungen aus der Bevölkerung ins Fadenkreuz der badischen Hexenjustiz gerieten. Für Gernsbach war 1642 wohl eines der schlimmsten Jahre im Dreißigjährigen Krieg. Die Stadt war durch jahrelange Kriegszahlungen, häufige Plünderungen und Einquartierungen fast vollständig ausgeblutet. Viele Einwohner waren geflüchtet. Die Felder konnten nicht mehr ordentlich bebaut werden, die Folgen waren Hunger und Teuerung. Die Menschen fühlten sich der Not hilflos ausgeliefert. Man kann sich vorstellen, dass in einer Zeit des Aberglaubens, in der für die meisten Menschen Hexen eine Realität waren, viele dazu neigten, die Schuld am Unglück übernatürlichen Kräften zuzuschreiben, und in der Andersartigkeit mancher Mitmenschen das Wirken böser Mächte zu erkennen glaubten.
 
 

In der Not des Dreißigjährigen Krieges waren die Menschen besonders anfällig dafür, die Schuld am Unglück bei Hexen und Dämonen zu suchen.
 

Hexenverfolgungen im Murgtal, Teil 5

In der Markgrafschaft Baden-Baden kam es zwischen 1625 und 1631 unter Markgraf Wilhelm zu einer außergewöhnlichen Welle der Hexenverfolgung, während in der Grafschaft Eberstein erst zwischen 1642 und 1644 fünf „Hexen“ aktenkundig sind. .
1644 waren noch die Fälle der Catharina Weinmann und der „Rheinschmiedin“ offen.  Am 30. März 1644 erging laut Hofratsprotokoll an den badischen Vogt zu Gernsbach der Befehl, Catharina Weinmann, „welche schon bey 2 jare (beinahe zwei Jahre) gefangen und von ihr hexerey nit mehr zu erledigen (befreien), die ihres alters bey 16 jar alt“ am Montag, den 4. April, enthaupten und verbrennen zu lassen. Am 5. April berichtete der Vogt, er habe den Befehl nicht ausführen können, „weil man Gräfl. Ebersteinischen theils anderer opinion (Meinung) seye“. Ob Johann Friedrich von Eberstein (1611-1647) Hexenprozessen grundsätzlich kritisch gegenüberstand oder den machtbewussten Markgrafen in die Schranken weisen wollte – durch die Verweigerung seiner Zustimmung zur Hinrichtung rettete er Catharina Weinmann zunächst einmal das Leben. Offenbar war die badische Seite aber überzeugt, dass der Ebersteiner der Hinrichtung letztlich werde zustimmen müssen, wenn sein Advokat Dr. Heinzen nur erst die Akten eingesehen hätte.
 
Vielleicht sollte auch die Art der Hinrichtung eine Zustimmung erleichtern. Man geht davon aus, dass die Verurteilten in der Markgrafschaft vor der Verbrennung zumeist vom Henker erdrosselt wurden. Im Murgtal war dagegen die vorherige Enthauptung vorgesehen, die als weniger schmerzhaft galt. Weiterhin hatte man im Murgtal, um jeden möglichen Einspruch zu vermeiden (auch von Seiten des Reichskammergerichts), von Anfang an peinlich darauf geachtet, streng nach Reichsrecht vorzugehen, das heißt, die Angeklagte nach drei Graden der Folter zu entlassen, wenn sie kein Geständniss abgelegt hatte (wie im Fall der Apollonia Bier), und Reichsgesetze wie die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. anzuwenden (wie im Fall der Catharina Weinmann). Auch die „Rheinschmiedin“ wurde, da sie nichts gestanden hatte, gegen „Urfehde“ wieder entlassen. Das bedeutete, sie musste schwören, über ihre Behandlung in der Haft Stillschweigen zu bewahren und gegen keinen der Beteiligten etwas zu unternehmen. Entlassen wurde sie ins Haus des Schultheißen in Scheuern, der laut Protokoll im Verdacht des Ehebruchs stand. War da vielleicht noch eine dörfliche Intrige im Spiel?
 
Nach neueren Forschungen nutzte Markgraf Wilhelm von Baden-Baden die Hexenverfolgungen 1625 bis 1631 zur Festigung seiner Macht. Als nicht standesgemäßer Sohn des 1594 vertriebenen Eduard Fortunat brauchte er ein Feld, wo er sich machtpolitisch profilieren konnte. Als ein solches Feld bot sich die Ausrottung der Hexen (75 % der Verfolgten in Baden-Baden waren Frauen) an. Als seine Macht genügend gefestigt war, hörten die Hexenprozesse 1631 auf. Die Stellung der Ebersteiner, mit denen der Markgraf in Gernsbach, Scheuern und Staufenberg gemeinsam regierte, war 1642 relativ schwach. Johann Friedrich von Eberstein residierte nicht ständig auf Burg Neueberstein. 1636 bis 1648 gab es nur einen badischen, aber keinen ebersteinischen Vogt in Gernsbach. Der Verdacht liegt nahe, dass Markgraf Wilhelm auch im Murgtal das Auftreten von Hexen als günstige Gelegenheit zur Festigung seiner Macht sah. Es blieb allerdings bei wenigen Fällen. Der Badener konnte sich offenbar nicht über das Mitbestimmungsrecht des Ebersteiners hinwegsetzen. Was aus Catharina Weinmann wurde, ist bislang unbekannt. Während die Hexenverfolgungen in der Markgrafschaft gut dokumentiert sind, ist über das Murgtal wenig bekannt. Die badischen Hofratsprotokolle liefern nur vereinzelte Informationen, aber die sind erschütternd zu lesen.
 

HansGretelKlein

Foto: Archiv Zorn
Gretel sperrt die Hexe im Ofen ein. Das Märchen „Hänsel und Gretel“ hat einen historischen Hintergrund. Die typische Bestrafung der Hexe war das Verbrennen, also die komplette physische Vernichtung. In Franken benutzte man gemauerte Öfen. In Baden-Baden wurden die Delinquenten teilweise in Strohhütten verbrannt.
 

© Cornelia Renger-Zorn 1999-2020
letzte Aktualisierung: 29. August 2020

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