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Herbststürme

Einsam liegt der Alte Hafen.
Hörst du, wie die Wellen lecken
an den Schiffen, die dort schlafen
und wie es braust um alle Ecken?

Ach, ich will noch nicht zurück
nach Haus. Ich weiß, du wirst’s versteh’n
und mit mir ein kleines Stück
auf jenem Weg zum Meer hin geh’n.

Jenem Weg, der sich hinzieht
am Fluss, wo sich sonst Boote tummeln,
sich so mancher Angler müht
und Gäste in der Sonne bummeln.

Doch verstummt ist nun das Lachen.
Nur der Wind weht immer gleich
und auf Laternenpfosten wachen
einsam Möwen scharf und bleich.

Schon fällt die Dämmerung herein.
Das Wasser spiegelt rings die Lichter
und bricht den hellen Widerschein
in tausend tanzende Gesichter.

Du kehrst nun um und ich mit dir,
ging’ ich auch gerne noch ein Stück.
Das Meer, das braust nicht weit von hier.
Doch du wendest deinen Blick.

Lass das Meer, es ist schon Nacht!
An deiner Hand flieg ich zurück
ins warme Nest. Dort wird gemacht
erst einmal Tee – ach welch ein Glück!
                                     
[Cornelia Zorn]

caro03.weg.klein
caro03.kuh.klein

Kein Südsee-Traum

Unser Carolinensiel
umspült kein blaues Wellenspiel,
umgibt auch rings kein weißer Strand,
kein Riff undkein Korallenband.

Unser Carolinensiel
ist nicht der Sonne stetes Ziel,
verwöhnt uns nicht mit feinstem Sand
und ist kein Palmen-Tropenland.

Bisweilen ist es ungemütlich,
stürmisch-kühl und wenig südlich.
Wie oft hört man die Windsbraut fegen
und heftig klatschen schweren Regen
aus trübem Himmel an die Scheiben
und fragt bös´ ahnend: Wird´s so bleiben?

Und doch: Das Land ist grün und satt,
das Meer unendlich, weit das Watt!
Wolkenfront auf Wolkenfront
zieht schimmernd über´n Horizont.
Das Auge schweift in tiefe Ferne,
doch auch, was nah ist, sieht es gerne:
Kutter dümpeln wie verschlafen,
Segler liegen still im Hafen,
das Rund mit ihren Masten säumend
und von großen Zeiten träumend.

Der Wanderer im Sturmgebraus
strebt schließlich ganz erfüllt nach Haus,
auf der Zunge Salz und See,
und auf de Stövchen zieht der Tee.

Ach, geh´n wir dorthin, ich und du,
demnächst anstatt nach Malibu!
                                              
[Cornelia Zorn]

Der Weg

Der Weg erstreckt sich weit, so weit
das Auge schweift, nichts hält ihn auf.
Durch weiten Raum und stille Zeit
führt zum Horizont sein Lauf.

Du wanderst los, nach vorn den Blick.
Der Weg trägt dich so leicht
der Ferne näher, Stück um Stück,
doch bleibt sie unerreicht.

Träumend geht das Auge wandern,
wie wenn es Wolkenwunder sähe,
bis es wieder sacht zu andern
Bildern gleitet in der Nähe.

Ländlich öffnet sich der Raum.
Der Wind trägt dir sein Rauschen zu.
Und hin und wieder säumt ein Baum
den Wegrand oder eine Kuh.

Ein Anblick, sanft und so versöhnlich.
Du schaust mit Andacht, wie sie frisst
und fragst dich, ob, was so gewöhnlich
scheint, nicht auch ein Wunder ist.
                                    [Cornelia Zorn]

© Cornelia Renger-Zorn 1999-2024
letzte Aktualisierung: 21. Nov. 2024