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http://www.rhm.uni-koeln.de/130/M-Renger.pdf

ZU HORAZ, EPIST. 1,20,17-19

Für die Ortsangabe extremis in vicis (Z.18) gibt es drei Interpretationsansätze: . a) Es sind Orte gemeint, die sehr weit von Rom entfernt sind, sozusagen in der tiefsten Provinz liegen. b) Mit extremis in vicis könnten die am äußersten Ende von Rom gelegenen Straßen gemeint sein (im Sinne von ,Vorstädte'). Bonner behauptet zu Recht, daß sich die Straßenlehrer wohl eher vom Zentrum anRelockt fühlten, wo sie ihre Dienste einem größeren Publikum anbieten konnten ). c) Bonner selbst folgt dem Porphyrio und verlegt den Ort auf die römischen Straßenkreuzungen2). Ein Blick auf den antiken Stadtplan erlaubt noch eine weitere ganz konkrete Ortsbestimmung. Sowohl der magister ludi als auch der grammaticus hielt den Unterricht in einer pergula. "Besonders verwendete man gern solche, die sich auf die Säulenhallen des Forums öffneten"3). Der Vicus Iugarius und der Vicus Tuscus liefen links und rechts der Basilica Iulia auf das Forum zu. Am Ende dieser beiden vici (,in extremis vicis'), zweier Hauptverkehrsadern Roms, lag das Forum Romanum. Der kombinierten Orts-Zeitangabe Romae...aetas in Vers 10 entspräche dann extremis in vicis ... balba senectus in Vers 18. So schließt sich der Kreis: Der tiber! verna kehrt an den Ort seiner Wünsche zurück (Vertumnum Ianumque), nur in anderer Funktion und unter anderen Umständen, als er gedacht hat. Die Frage der Kontinuität des Bildes in Vers 19 ist umstritten. Bonner gibt einen kurzen chronologischen Abriß der verschiedenen Meinungen von der Antike bis zur Neuzeit'). Dabei schälen sich folgende drei Interpretationen heraus: a) Die Verknüpfung von Buch und Sklave wird aufrechterhalten. Vers 19 bildet einen Teil der Schulszene (Porphyrio; Christophorus Landinus, Venedig 1486; Badius Ascensius, Paris 1543; Jacob Cruquius, Antwerpen 1565-1578; Dionysius Lambinus, Paris 1604; Laevinus Torrentius, Antwerpen 1608; William Baxter, London 1701). b) Das Bild vom verna wird nicht aufrechterhalten. Zwischen Vers 18 und Vers 19 wird ein Bruch angenommen (Lucian Müller, Leipzig 1893; August Meineke, Berlin 1834). c) Horaz führt das Bild vom verna fort. Vers 19 steht jedoch nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schulstunde in Vers 17 und 18 (KießlingHeinze, 1°1977; Eduard Fraenkel, Horaz 61963). Kritik zu b): Horaz selbst gibt kein Anzeichen, daß er das Bild verlassen will. Es besteht keine Veranlassung, einen Bruch zwischen dem te in Vers 17 und dem tibi in Vers 19 anzunehmen, wenn es ohne Mühe gelingen sollte, eine Verbin


1) S. F. Bonner, The Street Teacher, An Educational Scene in Horace, AJPh 93, 1972, 509-528, hier S. 515. 2) Bonner S. 517. 3) H.-I. Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg 1957, S. 392. 4) Bonner S. 518-523.

dung herzustellen. Auerdem erscheint es unwahrscheinlich, da Horaz gerade bei

der Verbreitung der autobiographischen Anmerkungen auf den reizvollen Doppelsinn

tiber - verna verzichten wollte. Durch die Ausschaltung des verna verlre die

Personifikation an Bildhaftigkeit. Ein sprechendes Buch kann sich der Leser eben

schwerer vorstellen als einen sprechenden verna.

Kritik zu a) und c): Bei diesen Ansichten ergibt sich die Schwierigkeit, den

Zeitpunkt des sol tepidus und den mit pluris auris angesprochenen Personenkreis

genau zu ermitteln. Die Vertreter von a) verlegen den Zeitpunkt des sol tepidus

hauptschlich in die frhen Morgenstunden und subsumieren unter pluris auris den

Kreis der Schler. Allerdings begann die Schule im Sommer bei Sonnenaufgang, im

Winter sogar noch frher, und zu diesem Zeitpunkt war der sol keineswegs schon

tepidus5). Daher bleibt es unerklrlich, warum zu diesem spteren Zeitpunkt pltzlich

mehr Schler da sein sollten als zu Beginn des Unterrichtes6

), und warum der

Lehrer auf eventuell spter erscheinende Schler gewartet haben sollte, um einige

Lebensdaten ber den gerade behandelten Autor zu berichten7

). Diese Ungereimtheiten

hindern zunchst daran, Vers 19 als direkte Fortsetzung von Vers 17 und 18

anzusehen. Die Vertreter von c) setzen den Zeitpunkt des sol tepidus spter an

(Kieling-Heinze: "... wenn die Tageshitze und Arbeit vorbei ist. .. "; Fraenkel:

"An einem schnen Nachmittag kann in einem sdlichen Land das Leben im Freien

nie vllig unertrglich sein ... Es ist gegen Sonnenuntergang"). Diese Sicht verbaut

allerdings von vornherein die Prfung, inwieweit Horaz hier literarische Ambitionen

hegt. Ein alter verna, der von seinem Herrn erzhlt, steht nicht mehr in

direktem Zusammenhang mit dem tiber, der in der Schule gelesen wird. KielingHeinze

weisen diese Vermutung denn auch als "arrogant"8) zurck mit dem Hinweis

auf sat. 1,10,73 ff.: neque te ut miretur turba labores,lcontentus paucis lectoribus.

an tua demens/vilibus in ludis dictari carmina m,dis? Allerdings warnt Horaz

an dieser Stelle nur davor, sich der breiten \1.lsse .1IlLubiedern. Fr eine solche

Prostitution des Literaten ist der Preis, in den niedrigen Schulen gelesen zu werden,

in den Augen des Dichters zu hoch. Er schliet aber damit nicht grundstzlich aus,

da ein Dichter, der nicht auf Breitenwirkung zielt, aufgrund der Qualitt seiner

Werke Schulautor werden kann. Um die Interpretation hier offen zu halten, mu

daher zunchst geprft werden, ob sich Vers 19 nicht doch einigermaen zwanglos

in die Schulszene integrieren lt. .

Bonner unternimmt einen recht berzeugenden Versuch in dieser Richtung.

Der sol tepidus bezeichnet fr ihn die Zeit, "when the sun began to grow pleasantly

warm, in contrast to the earlier hours of the school-day, when, even in summertime,

it could be distinctly chilly"9). Diese Sicht deckt sich mit der Angabe bei

Porphyrio (ca. 4.15. Stunde)'O). Die vierte und fnfte Stunde liegt im Winter zwischen

9.45 und 11.15, im Sommer zwischen 8.13 und 10.4411

). Den Ort des Geschehens

verlegt Bonner auf die trivia oder quadrivia, wobei er wiederum der

5) Marrou S.393.

6) BonnerS.518f.

7) Bonner S. 519.

8) A. Kieling-R. Heinze, Q. Horatius Flaccus, Briefe, Dublin-Zrich

11977, S. 192.

9) Bonner S. 523.

10) Acronis et Porphyrionis Commentarii in Q. Horatium Flaccum, ed.

Ferdinandus Hauthai, Vol. Ir, Berlin 1866, S. 506.

11) J. Carcopino, Rom. Leben und Kultur in der Kaiserzeit, Stuttgart 1977,

S.215.

Erklrung des Porphyrio folgt (extremis in vicis: in ultima vicorum parte, ut Terentius:

'in ultima platea' dicit). Dort gibt der tiber nun als magister ludi Unterricht

in der Elementarschule. Den mit pluris auris angesprochenen Personenkreis identifiziert

Bonner als the leisured people, the late risers, who found it agreeable to

stroll in the sunshine, to idle at the crossways, to meet friends and converse or

argue or merely to lounge around and contemplate the scene"!2). Einige aus diesem

Publikum interessieren sich vielleicht fr den Unterricht, hren eine Weile zu und

fragen nach dem Autor, der gerade gelesen wird. Auf diese Weise ist die Einheit der

Verse 17/18 und 19 hergestellt.

Allerdings bieten auch Bonners Ausfhrungen Anla zur Kritik. In der Regel

gehrt die Behandlung einzelner Autoren nicht in das Programm der Elementarschule.

Hier lernen die Kinder in einer langwierigen Prozedur einzig Lesen und

Schreiben. Die Fortgeschrittenen ben sich an krzeren Stzen und Sinnsprchen

bekannter Dichter13

). Es ist nicht wahrscheinlich, da solche Art von Unterricht

ein greres Publikum von interessierten Miggngern angelockt hat. Horaz

scheint mit Vers 19 eher auf die Schule des Grammatikers abzuheben. Dort wurden

Texte antiker Autoren erklrt und gelesen14

). Horaz behlt also die Schulszene in

Vers 19 bei, springt aber auf die nchsthhere Schulgattung ber. Dieser Wechsel

mutet dem Leser keinen schwierigen Proze des Umdenkens zu und strt die

Kontinuitt des Bildes nicht, da zwischen Ort und Personen keine wesentlichen

Unterschiede bestehen. Der grammaticus war oft ebenso von materieller Not geplagt

wie der magister ludi (vgl. Sueton gramm. 9 ber den Grammatiker Orbilius

Pupillus: ... docuitque maiore fama quam emolumento. Namque iam persenex

pauperem se et habitare sub tegulis quodam scripto fatetur). Auch seine Klasse ist

immer noch ein Laden des Forums"!'). Der Grammatiker Q. Caecilius Epirota

hatte um 26 v. Chr. den Bestand der Schulautoren modernisiert, indem er neuere

Dichter mithineinzunehmen wagte!6). Einige bereinstimmungen in der Laufbahn

des Epirota und des liber/verna lassen sich feststellen (Zugehrigkeit zur familia

eines reichen rmischen Brgers, Verdacht unerlaubter Handlungen und schlechter

Umgang, Grndung einer schola).

Das Bild der Schulszene pat also konkret auf die Verhltnisse in der Stadt

zur Zeit des Horaz. Der Dichter scheint wirklich davon berzeugt gewesen zu

sein, in Rom Schulautor zu werden.

Heidelberg

12) Bonner S. 526.

13) Quint. inst. 1, 1,36.

14) Marrou S. 407 f.

15) Marrou S.402.

16) Marrou S.405; Suet. gramm. 16.

Cornelia Renger

© Cornelia Renger-Zorn 1999-2020
letzte Aktualisierung: 30. Januar 2020

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